Ich will mich (nicht) outen
Seit drei Jahren habe ich jetzt schon das Gefühl schwul zu sein und ich weiß sowas großes ist das jetzt auch nicht, aber für mich also.
Das Problem ich werde immer mehr damit fast erdrückt, alle wollen wissen was mich beschäftigt und sogar die ganzen Zufälle in letzter Zeit bringen mich fast dazu damit heraus zuplatzen, doch ich fühle mich nicht bereit, aber komme nicht mit der Situation klar. Man müsste meinen , dass ist nicht so schlimm, weil es ja schnell geht und so, aber ich finde Gerade die Gedanken immer schlimm , was passieren könnte und so.
Ich komme mit dem ganzen Druck nich klar und brauche einfach eine Auszeit von allem und jedem.

Auf jeden Fall mach ich das lange nicht mehr mit und werde es wohl sagen, aber fühle mich nicht bereit, ich kann das ja kaum hier schreiben.




herr klimlof am 10.Mai 16  |  Permalink
Das ist ne schwerwiegende Problematik, die dich plagt.
Diesen geouteten Geist bekommt man nur schwer in die Flasche zurück.

Bei meinem jüngsten Sohn war einer in der Klasse, der diesen Schritt gegangen ist. Also auch etwa in deinem Alter. Natürlich ist mir dessen Innensicht nicht zugänglich sondern nur verschiedene Reaktionen des Umfelds. Und die waren nicht so richtig wohlwollend. Das dürfte sehr damit zu tun haben, dass der Bursche seit Kindergartenzeiten als unerträglicher Nervbolzen bekannt war. "Jetzt ist er auch noch schwul, der Spinner."

Ich habe damals seine Entscheidungsfindung für ne Attitüde gehalten, mit der er seine Sucht, immer im Mittelpunkt zu stehen, fulminant bedienen konnte.
Das war grundsätzlich nicht sehr nett von mir, was ich erkannte und deshalb über das "Warum" meiner übergriffigen Haltung kritisch nachgrübelte.
Dass ich ihm, ohne seine Position tatsächlich zu kennen, schlichtweg absprach, sowas über sich selbst bereits so genau wissen zu können, war kein Meisterstück der Mit- und Zwischenmenschlichkeit.

Allerdings entstamme ich einer Zeit, in der es noch kriminell war, gleichgeschlechtliche Sexualität zu betreiben. Wir hatten damals nicht die Option, unsere sexuelle Orientierung auf Anderes zu richten als das andere Geschlecht. Und das fand ich schon aufregend und kompliziert genug.

Jetzt hast du eine damals noch nicht existente Abzweigung bereits gewählt, respektive hast du das Gefühl, da lang zu müssen. Aus meiner Sicht ist das deutlich komplizierter als damals bei uns.
Wie sieht's in deinem unmittelbaren Umfeld aus? Deine Eltern, Klassenkameraden usw? Hast du halbwegs eine Vorstellung, wie ein Outing deinerseits aufgenommen würde?
Denn mit den Leuten musst du auskommen, was wesentlich einfacher ist, wenn nicht irgendwo in blindem Aktivismus wer "den Jungen retten" muss.
Dann kann es ziemlich stressig werden, zumal ja durch keine "erzieherische Maßnahme" der Welt großartiger Einfluss auf die sexuelle Orientierung genommen werden kann.
Aber man kann dem "zu rettenden Objekt" gehörig das Leben vermiesen mit solchen Versuchen.

Also schau dich in Ruhe um, ob du antihomosexuelle Hardliner im Umfeld hast. Falls ja, empfehle ich, deine Bedenkzeit großzügig zu vervielfachen, damit du dir nicht selbst voreilig und vermeidbarerweise ins Knie schießt.

Ebenfalls solltest du in deine Überlegungen mit einbeziehen, dass ja auch deine Eltern "sich outen" müssen, wenn du es machst. Das kann ebenfalls Komplikationen erzeugen. Nach meiner Beobachtung gibt es sehr viele Möglichkeiten, wie Eltern mit so einer Nachricht umgehen.
Wenn du den Eindruck von deinen Eltern hast, dass sie dich zu 100% unterstützen würden, bestünde vielleicht auch die Möglichkeit eines Outings light, also sie in dein Geheimnis einzuweihen, um dann gemeinsam über Weiteres zu beraten.

Meine Überlegungen beziehen sich auf ländliches Wohnen, wo fast Jeder Jeden kennt. In der Anonymität urbaner Gefilde mag sich da Einiges anders darstellen. Das weiß ich nicht von hier aus :-)

scottlandapple am 10.Mai 16  |  Permalink
https://www.youtube.com/watch?v=-6hm6YNd93U

ich wünsche dir alles Gute der Welt, welchen Weg du auch (in nächster Zeit) wählst!

selma.notebook am 10.Mai 16  |  Permalink
moin, ich kann ganz gut nachvollziehen was du grade fühlst, weil es mir vor ein paar jahren so ziemlich genau so ging. ich hab es dann einfach irgendwann hinter mich gebracht und mich geoutet. danach konnte ich gar nicht mehr verstehen, warum ich mir erst so einen kopf gemacht habe, weil alle total super reagiert haben und ich total erleichtert war.
trotzdem, wenn du das gefühl hast, so gaaaar nicht bereit zu sein, dann nimm dir auf jeden fall die zeit die du brauchst! das ist dein gutes recht! keiner kann dich zwingen, dich zu outen!!